Für Auszubildende


Für viele Menschen ist alleine schon die ernsthafte Beschäftigung mit den mentalen Techniken der Schamanen eine Rückverbindung zu sich selbst und an das Grosse Ganze. Es ist nicht zwingendes Ziel, Schamanisch Praktizierden oder Praktizierender zu werden, wenn jemand Kontakt zu den Geistern sucht und findet. Viele finden so eigene Antworten auf sie drängende Fragen und Anliegen. Sie finden Zugang zu einer begeisterten und begeisternden Umwelt und zu tiefem, inneren Wissen.

Wenn du dich angesprochen fühlst, begleite ich dich gerne ein Stück auf deinem eigenen Weg, in Kursen, Beratungen, Behandlungen und Ritualen. Weiter unten findest du als Anregung die vier Faktoren schamanischer Beratung.


Die vier Faktoren schamanischer Beratung [1] © Adrian Osswald

Schamanische Beratungsettings, ich nenne diese hier auch Ratskreise, unterliegen eigenen Dynamiken und Abläufen. Vier wirkende Faktoren solcher Dynamiken lassen sich allerdings gut anhand des TZI-Modells von Ruth Cohn ordnen. Die Anwendung von TZI auf schamanische Beratungssettings ist eine Möglichkeit von vielen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, bestehendes Wissen mit Schamanischem zu kombinieren. Meine hier niedergeschriebenen Gedanken stellen jedoch kein Versuch dar, schamanische Erlebensweisen und Vorgehensweisen zu psychologisieren, sondern aufzuzeigen, was für Faktoren auf einen Ratskreis und somit auch auf den Erfolg oder Nichterfolg eines solchen Settings einwirken können.
Der wichtigste Faktor für den Schamanen in der Beratungsituation bleibt jedoch immer seine Verbundenheit zu seinen allumfassend mitfühlenden Verbündeten der oberen oder unteren Welt und die eigenverantwortliche Umsetzung der von ihnen aufgezeigten Hilfemöglichkeiten.

Grundlegend sei festgehalten, dass bei einer Zusammenkunft von Menschen zum Zweck gemeinsamen Tuns 4 verschiedene Faktoren wirksam werden. Da sind erstens verschiedene Individuen anwesend. Die persönlichen Haltung und Einstellung dieser Individuen, welche ein bestmögliches Resultat des Beratungsettings bewirken, wird mit Chairmanship (selbstverantwortliches Ich) bezeichnet. Diese Haltung definiert auch den eigenen Bezug zu Macht: Ich bin nicht allmächtig; ich bin nicht ohnmächtig; ich bin partiell mächtig.

Zweitens entsteht ein Ratskreis, bestehend aus Schamane, Ratsuchenden und helfenden Geistwesen, sowie aus möglichen Begleitpersonen. Ein förderliches Bewusstsein aller Beteiligter ist dann erreicht, wenn klar ist, dass gemeinsam und selbstverantwortlich im Rahmen seiner jeweils eigenen Möglichkeiten auf die (Wieder-) Herstellung der Übereinstimmung eines Menschen oder einer Gruppe mit sich selbst, seiner/ihrer Umgebung und dem Universum hingewirkt wird und damit ein Wir entsteht.

Drittens geht es natürlich um das Anliegen des/der Ratsuchenden und die Möglichkeiten/Fähigkeiten des Schamanen, ihm bei einer optimalen Lösung behilflich zu sein. Dies wird normalerweise geklärt mit der Frage: „Worum geht Es?“. Wenn die Aufgabe, die sich dem Ratskreis stellt, von allen anwesenden Ichs als eigenes Anliegen und in Bezogenheit aufeinander gewollt und getragen wird, besteht eine optimale Arbeitssituation.

Viertens sei dem Umstand Rechnung getragen, dass niemand vollständig unabhängig existiert, sondern in eine Umwelt eingebettet ist. Wird dieser Faktor missachtet, können sich unliebsame Komplikationen ergeben.

 
1. Ich (Chairmanship)

Ich übe mich, mich selbst und andere wahrzunehmen, schenke mir und andern die gleiche menschliche Achtung, respektiere alle Tatsachen so, dass ich den Freiheitsraum meiner Entscheidungen vergrössere. Ich nehme mich selbst, meine Umgebung und meine Aufgabe ernst. Ich erkenne mich als einzigartiges, psycho-biologisches, autonomes Wesen - begrenzt in Körper, Psyche und Verstand, in Raum und Zeit und lebendig im lernenden, schaffenden Prozess. Ich bin verantwortlich für meine Anteilnahme und meine Handlungen, nicht aber für die der anderen. Ich kann jedoch anbieten und biete an, so gut ich kann. Ich bin nicht allmächtig; ich bin nicht ohnmächtig; ich bin partiell mächtig. Und ich bin immer nur meine eigene Leitperson und nie die des andern, ausser wenn dieser seine Bewusstheit verliert oder noch nicht erreicht hat.
 

2. Wir (der Ratskreis)

Im schamanischen Ratskreis entsteht das Wir durch die Interaktion des Ratsuchenden, des Beratenden und der helfenden Geister. Sind Begleitpersonen anwesend, so wirken Sie durch ihre blosse Anwesenheit mit, können aber auch direkt ins Ratsgeschehen involviert werden. Das, was durch dieses Setting entsteht, ist mehr als die Summe der Anwesenden. Im engeren Sinne ist das Wir eine Anzahl von Menschen im selben Raum und in derselben Zeit, die sich aufeinander und auf ein gemeinsames Thema beziehen, hier die schamanische Bemühung um Wieder-Herstellung der Übereinstimmung eines Menschen oder einer Gruppe mit sich selbst, seiner/ihrer Umgebung und dem Universum.
Im weiteren Sinne kann ein solches Beratungssetting, ein solcher Ratskreis, durch sein Zustandekommen auch über Raum und Zeit bestehen. Ein einmal eingegangener Ratskreis in der Alltäglichen Wirklichkeit bleibt in der Nichtalltäglichen Wirklichkeit als Eindruck bestehen und kann von allen Beteiligten bei entsprechender Fähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt durch eine schamanische Reise aufgesucht werden, um weiteren Rat und Unterstützung zu erhalten.

Das Wir wird dadurch gestärkt, dass Personen ihre Individualität in der Beratungssituation aktualisieren, und nicht dadurch, dass sie ihre Individualität aufgeben. Also nicht: Ich gebe mich auf für diese Beratungssituation sondern: Ich gebe mich ein (wobei der Schamane während des Schamanisierens seine alltägliche Persönlichkeit zugunsten seiner nichtalltäglichen Persönlichkeit während der Beratung zurückstellt. Im Ganzen gibt sich der Schamane so aber nicht auf, sonder ein.). Jedes Ich hat zentrale Verantwortlichkeit für sich selbst und partielle Verantwortung für das Beratungssituation. Dabei bleibt jeder Teilnehmende Wir-Anteil selbst dann, wenn er sein Potential in sich selbst und für die anderen nicht erfüllt. Denn jeder ist wirksam bereits durch seine blosse Existenz als Atmende(r) und Anteil-Seiende(r).

 
3. Es (Das Anliegen, das Thema, das Problem)

Das Es ist das Anliegen des/der Ratsuchenden und die Möglichkeiten/Fähigkeiten des Schamanen, um die sich ein schamanisches Beratungssetting zentriert. Das Es ist die gemeinsame Aufgabe, die sich dem Ratskreis (dem/den Ratsuchenden, dem Schamanen, den Geistern und möglichen Begleitpersonen) stellt. Ziel einer schamanischen Beratung ist immer die möglichst weitgehende (Wieder-) Herstellung der Übereinstimmung eines Menschen oder einer Gruppe mit sich selbst, seiner/ihrer Umgebung und dem Universum, also einer Ausbalancierung des Inneren mit dem Äusseren. Das führt normalerweise über das bis jetzt Bekannte hinaus und kann gerade durch den so herausfordernden Charakter Wachstum, Harmonie und Heilung bewirken. Wenn die Aufgabe, die sich dem Ratskreis stellt, von allen anwesenden Ichs als eigenes Anliegen und in Bezogenheit aufeinander gewollt und getragen wird, besteht eine optimale Arbeitssituation und die beste Chance auf Veränderung einer bestehenden Situation.


4. Umfeld (Angehörige, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Gesellschaft, Welt, Universum)

Zum Umfeld gehören die Menschen und Geschehnisse ausserhalb der Hier- und -Jetzt-Gruppe (Ich-Wir-Es-Einheit = Ratskreis). Diese Aussenwelt - hierarchische, familiäre, nachbarschaftliche, gesellschaftliche usw. - ist jedoch in ihrem Aussensein auch immer im Ratskreis wirksam. Das Bewusstsein der Umwelt-Faktoren ist für den Ratskreis so wesentlich wie das der Ich-, Wir- und Es-Faktoren.



Zusammenfassende Erklärung:

       Wenn wir nicht erkennen, wie Ort, Zeit, die Zusammenstellung des Ratskreises (soziale Schicht, Geschlecht, Alter, Bildung etc.) die Ratskreisinteraktion beeinflussen, werden inadäquate Beratungsettings den Vertrauenspegel senken, weil die Prozesse durch (hohe) Irritation der Beteiligten behindert werden. Klare und wiederholte Erklärungen des Schamanisierenden über sein Tun, dementsprechend und der Situation angepasste äussere Erscheinungsformen und Hilfsmitteleinsatz sowie eine angepasste Wortwahl, die die jeweiligen Ratsuchenden verstehen können, helfen, solche Irritationen zu verringern. Die von Ratsuchenden mitgebrachten Begleitpersonen haben beispielsweise bereits durch blosse Anwesenheit eine präventive Wirkung auf eventuell übergriffige oder übergriffig empfundene Situationen zwischen Ratsuchenden und Schamane (dies ist zum Schutz aller Beteiligter wichtig). Sie sind aber auch Beteiligte und somit Zeugen des Beratungsvorganges. Die Kraft für die eigentlich schamanische Arbeit wird dadurch erhöht.

       Wenn wir die gesellschaftlichen Strukturen, von denen die Ratsuchenden und die Schamanisierenden abhängen, nicht beachten, sei es akzeptierend, reformierend oder revolutionierend, wird die Heilarbeit wahrscheinlich scheitern - rechtlich, sachlich oder auch politisch. Zum Beispiel sind unter 18jährige in der Schweiz rechtlich noch nicht voll handlungsfähig (mündig) oder Heilungsversprechen von Schamanisierenden sind nicht nur anrüchig, sondern vielerorts auch verboten.

      Wenn wir vergessen, dass die Beziehung Ratskreis - Umfeld keine Einbahnstrasse ist, sondern wechselseitige Auswirkungen hat, die wir zum Teil voraussehen können, dann entziehen wir dem schamanischen Beratungssetting einen grossen Teil seiner Möglichkeiten. Wenn wir zum Beispiel verneinen, dass wir durch das Beratungssetting Einfluss auf die Bemühungen von bei Ratsuchenden involvierten Ärzten nehmen können, schaffen wir neues Ungleichgewicht im Leben der Ratsuchenden, während gezieltes Zusammenarbeiten (oder wenigstens gezielte Bestätigung der positiven Bemühungen der involvierten Ärzte) die kooperative Stärke und somit die Möglichkeiten erhöht. Miteinander, statt gegeneinander. Nicht nur mit dem Ratsuchenden und den Begleitpersonen, sondern auch mit deren Umfeld und dem Universum, soweit das in den Möglichkeiten des Ratskreises liegt.

      Wenn Ratsuchende von Schamanisierenden Aufgaben erhalten, welche sie nicht umsetzen können, weil die entsprechende Möglichkeiten gar nicht vorhanden sind, dann ist das nicht hilfreich, sondern kann zu neuem Ungleichgewicht bei Ratsuchenden führen – und somit zu neuen Problemen. Eine Aufgabe wie „die nächsten zwei Monate jeden Abend um 23 Uhr 30 für eine halbe Stunde in der Wohnung sehr laut Trommeln“ mag vielleicht einfach klingen, jedoch wird der Nachbar des Ratsuchenden dies wahrscheinlich nicht besonders lustig finden, was schlussendlich auch zur Kündigung durch den Vermieter führen kann.